Die Integrale Zukunftswerkstatt
Die Zukunftswerkstätten sind eine Vorgehensweise, bei der die soziale Phantasie und der Gestaltungswille der Betroffenen in einer Art von sozialem Vorschlagswesen sich zeigen kann. Die Ideen einer demokratischen Zukunft sollten nicht länger von oben, das heißt von Experten, Funktionären, Abgeordneten alleine kommen. Sie sollten sich aus der Basis heraus entwickeln, und man sollte der Basis mehr Gelegenheit geben, hier sich zu betätigen.
– Robert Jungk: Demokratische Gestaltungsperspektiven – Die Zukunft unserer Lebens- und Arbeitswelt. Protokoll 12, Bundesangestelltentag des DGB. Düsseldorf 1990, S. 86.
Im Sinne der aktuellen Diskussion um Profilbildung sowie „Einzelschule als Gestaltungseinheit“ sind Schulen heutzutage immer mehr aufgefordert, ihr eigenes klares Profil zu entwickeln. Schulentwicklung sollte dabei sowohl Organisations-, Personal- als auch Unterrichtsentwicklung beinhalten und bedient sich mittlerweile innovativer Ansätze, wovon die Zukunftswerkstatt eine ist. Erfunden wurde die Zukunftswerkstatt in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts vom Zukunftsforscher Robert Jungk (1913-1995), der für eine partizipative Methode plädierte, wenn es um das Erörtern einer neuen (Richtungs-)Strategie und deren Umsetzung geht.
Die Zukunftswerkstatt für Schulen wirft als Instrument der partizipativen Schulentwicklung einen Blick auf die Gegenwart aus der erwünschten Zukunft aller Beteiligten. In einer integralen Werkstatt bedienen wir uns zusätzlichen Formaten, die das gängige 3-Phasen-Modell ergänzen und bereichern: Je nach Gruppengröße, Anliegen und Zweck fließen Methoden wie Open Space/Word Café (für Großgruppen), systemische Ansätze, transparente Kommunikationsmethoden, etc. in unsere Arbeit ein. Ziel dabei ist, dass offene Möglichkeitsräume geschaffen werden, in denen sich das Zukunftspotential zeigen kann. Aus diesen Möglichkeiten werden konkrete Projekte für die Gegenwart abgeleitet, die sofort nachhaltig umgesetzt werden können – und ganz bewusst auch sollen.
Die Hauptressource für diesen Prozess sind dabei die Menschen selber, die im jeweiligen Schulsystem zuhause sind: Diese können als gemeinsame Problemlösungsexperten eine Weisheit der Vielen kreieren, aus der heraus die neuen Möglichkeiten sichtbar werden. Unsere multidimensionale Methoden-Toolbox garantiert, dass in kreativen Feldern personenzentrierte Synergien geschaffen werden, die nachhaltig umgesetzt werden können. Die von uns entwickelte Methode der partizipativen Organisations- und Schulpraxis unterstützt dabei besonders die Umsetzungsnachhaltigkeit. Diese Praxis kann auf Wunsch in der ZW angerissen und als aufbauende Zusatz-Fortbildung angeboten werden.
Der Aufbau
Grundsätzlich besteht eine von uns durchgeführte, integrale Zukunftswerkstatt aus mindestens folgenden Elementen:
_Vorbereitungsphase mit den jeweiligen Entscheidungsträgern (Räume, Materialien, Rahmenprogramm, Verpflegung, etc.)
1. Wertschätzungs- und Kritikphase
Das Fundament wahrnehmen und würdigen sowie das Anliegen durch kritische Aufarbeitung des Problems genau klären: Inventur des bisher Erreichten / Bestimmung des IST-Zustandes.
2. Phantasie- und Visionsphase
Den IST-Zustand mit sozialer Phantasie und Kreativität überwinden: Entwicklung des Wunschhorizontes.
3. Umsetzungs- und Praxistransferphase
Teile des Wunschhorizontes zu Forderungen bzw. Projektansätzen verdichten: Klärung des Handlungspotentials.
_Nachbereitungsphase (Auf Wunsch: Dokumentationen, Projektbegleitung)
Wirkungsspektrum
Der Erfolg einer Zukunftswerkstatt besteht allerdings nicht nur aus ihren konkreten Projektvorschlägen oder Forderungskatalogen, sondern auch aus dem, was sie bei ihren Beteiligten an neuen Denk- und Verhaltensmustern auslöst; Die Teilnahme an Zukunftswerkstätten wirkt nämlich immer sowohl persönlich als auch sozial prägend auf die Beteiligten. Das Wirkungsspektrum drückt sich in folgenden möglichen Effekten aus, die von Beate Kuhnt und Robert E. Müllert bereits 1996 klar formuliert wurden:
Zitat:
„1. Demokratisierungseffekt: Gemeinsam an der Zukunft werken
Die Teilnehmenden werken gleichberechtigt und konstruktiv miteinander: In einem weitgehend „hierarchiefreien“ Raum, einer Art „Spielsituation“ können sich alle Beteiligten entfalten. Das Prinzip des Sich-Kurzfassens und der Beispielhaftigkeit fördert das Einbeziehen jeder Person. Gestärkt wird das Selbstwertgefühl, damit findet sich vielfach der Mut, eigenverantwortlich aktiv zu werden.
2. Lerneffekt: Projektorientierte Lernerfahrungen machen
Im Laufe des gesamten Werkstattprozesses entsteht eine Art spielerischen Lernens. Personen unterschiedlichen Alters finden zu einer vorurteilslosen Zusammenarbeit. Ein fortwährender Austausch an Erfahrungen, Kenntnissen und Ideen kommt zustande, bei dem alle Teilnehmenden voneinander profitieren. Dadurch erscheinen einzelne Personen und Problemfelder in einem neuen Licht.
3. Synergieeffekt: Vertrauen in gemeinsame Kraft gewinnen
Die Teilnehmenden merken, dass sie durch das Arbeiten in Klein-Gruppen immer wieder zu Ergebnissen gelangen, die sie alleine so nicht erreicht hätten. Durch das Zusammenspiel unterschiedlicher Erfahrungshintergründe kommt das Potential der Gruppe zum Tragen, entsteht Vertrauen zu den einzelnen und in die Kraft der Gruppe.
4. Motivationseffekt: Sich im Gestalten von Zukunft erleben
Durch die offene Vorgehensweise entsteht Begeisterung, sich einzumischen. Die Beteiligten identifizieren sich mit der Werkstatt und machen die Ergebnisse zu den ihren, wodurch sie motiviert werden, Veränderungen im Verhalten und Tun über die Werkstatt hinaus einzuleiten. Sie erhalten Mut, selbst initiativ zu werden, übernehmen Verantwortung und gehen Verbindlichkeiten ein.
5. Kreativitätseffekt: Probleme auf neue Art lösen
Sich lösen aus eingefahrenen Bahnen, sich einlassen auf ungewohnte Situationen, sich sogar auf den Kopf stellen und alles von der anderen Seite betrachten, kennzeichnen das ungewöhnliche Arbeiten in Zukunftswerkstätten. Dies wirkt auf die Beteiligten befreiend, indem sie merken, dass sie Wünsche, Träume und Phantasien entwickeln können und dadurch neue Perspektiven entdecken.
6. Identifikationseffekt: Dreieck „ICH-WIR-MEINE SCHULE“
Die gemeinsame Arbeit an einer möglichen Zukunftsvision sowie deren Umsetzung lässt ein Wir-Gefühl in der Gruppe entstehen. Die Teilnehmenden fühlen sich zugehörig und identifizieren sich zukünftig mehr mit „ihrer“ Schule, da sie zum einen Handlungsspielräume besser wahrnehmen und sich zum anderen die positive Kraft des gemeinsamen Tuns in Handlungsfreude umwandelt. Das Dreieck zwischen ICH, WIR und MEINE SCHULE erhält eine Kräftigung.“
Quellenangaben:
„Zukunftswerkstätten verstehen, anleiten, einsetzen“, Beate Kuhnt & Norbert R. Müllert, Ökotopia Verlag 1996
„Zukunftswerkstätten – Mit Phantasie gegen Routine und Resignation“ Robert Jungk & Norbert R. Müller, Wilhelm Heyne Verlag 1989
Unsere Angebote zu diesem Thema
Schulinterne Zukunftswerkstatt: SCHULE 2020
Wie soll unsere Schule in 10, 20 oder 30 Jahren aussehen und was können wir jetzt schon dafür tun, dass unsere Vorstellungen und Wünsche wahr werden? In einer schulinternen Zukunftswerkstatt werden Lehrer, Schüler, Eltern und sonstige Schulakteure gemeinsam aktiv, um „ihre“ Schule weiter zu entwickeln.
Schulinterne Zukunftswerkstatt: Differenzierter Unterricht
Heterogenität im Klassenverband kann auch ohne explizite Inklusion und Integration eine wachsende Herausforderung sein: Lehrpläne und –ziele richten sich auf einen imaginären Durchschnittsschüler, den es in Wirklichkeit immer weniger gibt. Stattdessen ist Heterogenität eine reguläre Gegebenheit und führt die wachsende Individualisierung der Lernenden zu einem sich ausbreitenden Spektrum von kognitiven und psychosozialen Voraussetzungen, mit denen die Lehrer sich tagtäglich konfrontiert sehen.
Dabei beziehen sich die Dimensionen der Heterogenität nicht nur auf Begabungen und Leistung, sondern zunehmend werden auch soziale, familiäre, ökonomische, kulturelle, bildungsbezogene und biografische Hintergründe von Bedeutung. Und nicht zuletzt spielen Alter, Geschlecht, Lernstil und –typ, Sprachkompetenz, Interessen, Begabungen und Motivation eine Rolle, wenn es um die Frage nach einem adäquaten Unterricht für jeden Einzelnen geht. Ein produktiver Umgang mit der Vielfalt, die Diversität als Chance statt Problem betrachtet, kann in verschiedene Maßnahmen münden: Durch Methodenvielfalt und differenzierte Angebote können vielfältige Zugänge und Lernwege zum Unterrichtsstoff ermöglicht werden. Durch Stärkung der Eigenverantwortung der Lernenden sowie durch gezielte Förderung und Forderung rückt der Einzelne in den Vordergrund. Dies sind allerdings nur einige der zahlreichen Möglichkeiten – und die Frage bleibt: Wo fängt man an? Und wie setzt man dies konkret im Schulalltag um?
So wie jeder Schüler und jede Schülerin einzigartig sind, ist es auch jede Schule. Ein Patentrezept für differenzierten Unterricht gibt es nicht, auch wenn vielerorts bereits gelungene Best-Practice-Beispiele gelebt werden (Kooperatives Lernen, Stationen-Lernen, Selbstgesteuertes Lernen, Teamteaching). Eine 1-zu-1-Übertragung dieser Konzepte halten wir nachhaltig nicht für wirksam, sondern bieten mit unserem speziellen Format der Integralen Zukunftswerkstatt einen Lösungsansatz an, der von der Einzigartigkeit der jeweiligen Schule ausgeht und sich das kreative und pädagogische Potential des Kollegiums zunutze macht. Auf Wunsch können die Best-Practice-Beispiele als Impuls-Referate erläutert werden.
Zukunftswerkstatt für Schüler: Was will ich werden?
Die Methode der Zukunftswerkstatt ist sehr gut dafür geeignet, junge Menschen auf ihrem Weg in die Zukunft zu unterstützen. Gemeinsam mit ihren Klassen- oder Jahrgangsstufen-KameradInnen reisen die Jugendlichen in das Land Utopia und erhalten fruchtbare Impulse, die sie zu ihrer eigenen Potentialentfaltung nutzen können.
Change Management: Projektbegleitung
In der Tatkraft der Gruppe zeigt sich, ob die Ergebnisse einer Zukunftswerkstatt nachhaltig in den Schulalltag übersetzt und die begonnen Impulse weitergeführt werden. Verantwortlich dafür sind zum einen die Motivation und die Ressourcen der einzelnen Beteiligten – zum anderen aber auch eine gute Projektstruktur, in der Ziel- und Zuständigkeitsklarheit immer wieder hergestellt werden können. Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine externe Moderation ein wesentlicher Bestandteil für Nachhaltigkeit sein kann. Auf Wunsch begleiten wir Projektteams mittels unserer Partizipativen Organisationspraxis weiter bei der Umsetzung ihrer Ziele. Und hier finden Sie mehr Informationen zu unserem allgemeinen Prozessbegleitungsangebot.